WildStar
WildStar
Gigantisch, klassisch, gut
WildStar ist ein Arsch voll Content. Ich habe noch kein MMORPG gesehen, das zu seinem Launch vor Inhalten so aus allen Nähten platzte: PvP, Housing, eine riesige Welt, Quests und Challenges bis zum Abwinken. Aus der bunten Wundertüte von Features wurde aus voller Hand geschöpft, was ging. So treffen neue und alte Ideen aufeinander, vor allem aber gibt es eins: genau das, was man von einem MMO erwartet, seitdem WoW definiert hat, was das Genre heute bedeutet.
Das Entwicklerstudio Carbine wurde von 17 Mitgliedern des originalen WoW-Teams gegründet, und das merkt man. Was WildStar dennoch auszeichnet, ist der Grad an Hingabe und Perfektion für all die Features, die wir in der letzten Dekade lieben gelernt haben. WildStar weiß genau, was es tut und tut es mit Präzision. Aber ist das 2014 noch genug?
WildStar schafft sein eigenes Universum mit einer unterhaltsamen Mischung aus Fantasy, Science-Fiction und Western. Zwei verfeindete Fraktionen, das Dominion und die Verbannten, liefern sich eine erbitterte Schlacht um den Planeten Nexus, auf den beide Anspruch erheben. Eine hochentwickelte Alien-Rasse hat auf dem Planeten ein Rätsel darüber zurückgelassen, was mit ihnen passiert ist. Jede Menge High-Tech-Shit ist der metaphorische qualmende Stiefel, der davon zeugt, dass bis vor Kurzem jemand dort war. Auf der Reise über Nexus kann der Spieler endlose Mengen an Hintergrundgeschichte darüber finden, was geschehen ist und, sollte er sich dafür interessieren, das Geheimnis hinter dem verlassenen Planeten lüften. Leider lässt das Spiel einen mit diesen Brotkrumen ziemlich allein, wirft wenig Story dazu und schon gar keine Charaktere, für die man sich interessieren könnte. Wer nicht gerade viel Ausdauer hat, wird die Geschichte womöglich schnell aus den Augen verlieren und so in den Quest hinein leben.
Aber das ist okay, das haben sich die Leute bei Carbine schon gedacht. Deshalb haben sie das Pfad-System eingepflegt, über das man explizit seinen Spielstil festlegen kann. Der Pfad bestimmt, mit welchen Aspekten des Spiels man sich vermehrt beschäftigen kann und muss, um den Charakter auf die Höchststufe zu leveln. Schlägt man den Weg des Soldaten ein, wird man sich hauptsächlich in Kämpfen aufhalten, während ein Wissenschaftler die Umgebung analysiert und versucht, jedes Bisschen Erzählung aus dem Spiel herauszulutschen. Als Entdecker wird man seine Zeit damit verbringen, die Welt durch Plattforming zu erkunden, abgelegene Orte auszukundschaften und Loot abzustauben. Als Siedler wird man hingegen damit beschäftigt sein... Siedlungen weiter auszubauen. Klar, oder? In der Praxis ist der Pfad als Nuance zu verstehen. Letztlich wird man sich durch dieselben Areale bewegen und die gleichen Story-Quests verfolgen. Es ist ein nettes Gimmick, krempelt das Spiel aber nicht völlig um.
Ihr wählt eine Rasse und Klasse danach aus, welche Skills ihr beherrschen wollt, ob ihr der Tank sein möchtet oder euch als Damage Dealer im Hintergrund haltet. Der klassische Dreiklang wird mit Healern komplett gemacht und spielt auch ein WildStar eine grundlegende Rolle. Im Vergleich zu anderen MMOs borgt sich WildStar allerdings aus dem MOBA-Genre, insbesondere SMITE. Das bedeutet: Trotz gleicher Skills hängt der Spielerfolg viel stärker vom Player Skill ab und wird mitnichten durch die bloße Stufe der Figur bestimmt. Angriffe unterscheiden sich besonders durch ihren Wirkbereich, der eine Linie, ein Kreis oder Kegel sein kann. Wer treffen will, muss zielen, und wer leben will, muss den feindlichen Kegeln ausweichen.
Im späteren Spielverlauf werden Kämpfe dadurch bestimmt, wie gut man unter Beachtung der Cooldowns seine Skills durchrotieren kann, während man gleichzeitig in ständiger Ausweichbewegung ist: Doppelsprünge, Sprints und Rollen sind ein ständiges Muss! Die Skill-Belegung der Zahlentasten hat dabei schnell in Fleisch und Blut überzugehen, denn selten kann man lange überlegen und sollte lieber intuitiv die richtigen Angriffe einsetzen. Bossgegner treiben das Prinzip auf die Spitze: Deren Wirkbereiche verwandeln das Bossareal in dynamische Minenfelder und wortwörtliche, rotierende Labyrinthe des Schmerzes, in denen man rennen, springen und ausweichen muss, um dem Vieh endlich an den Kragen zu gehen. Das Spiel kann dadurch schon recht früh sehr fordernd werden, aber es ist schön zu sehen, dass das Kampfsystem so kreativ und abwechslungsreich genutzt wird.
Das Spiel feiert die klassischen Belohnungssysteme des MMORPG-Genres mit eindrucksvollen Sounds und visuellen Effekten. "Double Kill" und "Triple Kill" macht nicht weniger Spaß als damals bei Unreal Tournament und das gierige "Whooosh", wenn man Loot einsammelt, ist großartig. Level-Ups werden mit "Holy Shit" kommentiert. Hier ist nichts Neues zu entdecken, aber die Klassiker sind liebevoll aufgepeppt, so machen Kämpfe und neue Level jedes Mal Spaß. Nur eines ist noch besser: die Musik. WildStar fährt einen brillanten Soundtrack auf, der epische Sci-Fi-Melodien mit Western-Sound kreuzt wie es das Thema von Joss Whedons Firefly einst vorgemacht hat. Fuck yeah, WildStar, spiel mir das Lied von Star Wars.
Aus Housing und großen PVP-Schlachten könnte ich vermutlich einen eigenen Artikel schreiben, aber auch hier gibt es keine Revolution zu berichten. Die Kämpfe mano-a-mano profitieren deutlich durch das dynamische Kampfsystem, erfinden das Rad letztlich aber nicht neu. Sicher ist jedoch allemal, dass man sein halbes Leben allein darin versenken kann, wenn man gerne kompetitiv spielt. Für die kreativen Geister ist Housing genau das Richtige. Es ist zwar kein Minecraft, aber man kann im Spiel ständig neue Einrichtungsgegenstände finden und sich ab Level 15 auf der eigenen fliegenden Insel im Baukasten austoben. Hier kann man dann die zweite Hälfte seines Lebens zu Ende bringen, es bleibt nur die Frage, wann man eigentlich Questen geht.
Quests in WildStar sind der völlige Standard. Der gute Humor des Spiels hat mich anfangs davon abgehalten, jeden Dialog zu skippen, aber zu guter Letzt siegte meine stumpfe Gier, Aufgaben abzuarbeiten und Level aufzusteigen. Hier ist man im Kern des Spiels, dort wo das Fleisch am dicksten ist, der Alltag des MMO-Spielers. Ich denke auch, es ist der Punkt, an dem WildStar deutlich zu erkennen gibt, dass es seine klassischen Wurzeln nicht verlassen hat. Es ist kein Everquest Next, das das MMORPG revolutionieren möchte. Es ist kein wagemutiger Sprung in neue Gefilde. Aber das nicht unbedingt etwas Schlechtes, denn hier ist das Spiel ein Meister. WildStar ist die Definition des Genres zum Stand der Jahrausendwende, mit Perfektion auf Hochglanz poliert.
Sehr deutlich wird das Festhalten an alten Werten auch beim Geschäftsmodell. WildStar fordert selbstbewusst monatliche Gebühren über Abos ein und gibt lediglich Vielspielern die Möglichkeit, durch Ingame-Währung neue Spielzeit zu erwerben. Für Normalsterbliche wird es unrealistisch sein, so viel Zeit aufzubringen und so sind die Gebühren für viele Spieler unumgänglich. Fast alle MMOs der letzten Jahre sind entweder daran zugrunde gegangen oder haben peinlichst schnell ein Free-to-Play-Modell angeboten. Ich habe die Befürchtung, dass WildStar keine Ausnahme sein könnte. Aber das gilt es abzuwarten.
In der Überschrift schreibe ich, Wildstar ist gut. Ich schreibe das, weil es ganz bestimmt nicht schlecht ist! Aber es drückt sich darin auch ein letzter Zeifel aus. Es ist ziemlich gut, aber nicht herausragend. Es ist beeindruckend, wie es all die klassischen Elemente eines MMOs zur Perfektion bringt. Nur eine Kleinigkeit fehlt. Gerade die klassischen Elemente sind es, die das Spiel zurückhalten, die Innovation in letzter Instanz ausbremsen. Der Genre-Fan wird hier glücklich gemacht, doch der Schritt darüber hinaus bleibt aus. Wenn ich benennen sollte, woran es dem Spiel fehlt, wäre das nicht die Hingabe, Humor oder Spielspaß. Ich würde sagen: etwas Mut. Ben
Das Entwicklerstudio Carbine wurde von 17 Mitgliedern des originalen WoW-Teams gegründet, und das merkt man. Was WildStar dennoch auszeichnet, ist der Grad an Hingabe und Perfektion für all die Features, die wir in der letzten Dekade lieben gelernt haben. WildStar weiß genau, was es tut und tut es mit Präzision. Aber ist das 2014 noch genug?
WildStar schafft sein eigenes Universum mit einer unterhaltsamen Mischung aus Fantasy, Science-Fiction und Western. Zwei verfeindete Fraktionen, das Dominion und die Verbannten, liefern sich eine erbitterte Schlacht um den Planeten Nexus, auf den beide Anspruch erheben. Eine hochentwickelte Alien-Rasse hat auf dem Planeten ein Rätsel darüber zurückgelassen, was mit ihnen passiert ist. Jede Menge High-Tech-Shit ist der metaphorische qualmende Stiefel, der davon zeugt, dass bis vor Kurzem jemand dort war. Auf der Reise über Nexus kann der Spieler endlose Mengen an Hintergrundgeschichte darüber finden, was geschehen ist und, sollte er sich dafür interessieren, das Geheimnis hinter dem verlassenen Planeten lüften. Leider lässt das Spiel einen mit diesen Brotkrumen ziemlich allein, wirft wenig Story dazu und schon gar keine Charaktere, für die man sich interessieren könnte. Wer nicht gerade viel Ausdauer hat, wird die Geschichte womöglich schnell aus den Augen verlieren und so in den Quest hinein leben.
Aber das ist okay, das haben sich die Leute bei Carbine schon gedacht. Deshalb haben sie das Pfad-System eingepflegt, über das man explizit seinen Spielstil festlegen kann. Der Pfad bestimmt, mit welchen Aspekten des Spiels man sich vermehrt beschäftigen kann und muss, um den Charakter auf die Höchststufe zu leveln. Schlägt man den Weg des Soldaten ein, wird man sich hauptsächlich in Kämpfen aufhalten, während ein Wissenschaftler die Umgebung analysiert und versucht, jedes Bisschen Erzählung aus dem Spiel herauszulutschen. Als Entdecker wird man seine Zeit damit verbringen, die Welt durch Plattforming zu erkunden, abgelegene Orte auszukundschaften und Loot abzustauben. Als Siedler wird man hingegen damit beschäftigt sein... Siedlungen weiter auszubauen. Klar, oder? In der Praxis ist der Pfad als Nuance zu verstehen. Letztlich wird man sich durch dieselben Areale bewegen und die gleichen Story-Quests verfolgen. Es ist ein nettes Gimmick, krempelt das Spiel aber nicht völlig um.
Ihr wählt eine Rasse und Klasse danach aus, welche Skills ihr beherrschen wollt, ob ihr der Tank sein möchtet oder euch als Damage Dealer im Hintergrund haltet. Der klassische Dreiklang wird mit Healern komplett gemacht und spielt auch ein WildStar eine grundlegende Rolle. Im Vergleich zu anderen MMOs borgt sich WildStar allerdings aus dem MOBA-Genre, insbesondere SMITE. Das bedeutet: Trotz gleicher Skills hängt der Spielerfolg viel stärker vom Player Skill ab und wird mitnichten durch die bloße Stufe der Figur bestimmt. Angriffe unterscheiden sich besonders durch ihren Wirkbereich, der eine Linie, ein Kreis oder Kegel sein kann. Wer treffen will, muss zielen, und wer leben will, muss den feindlichen Kegeln ausweichen.
Im späteren Spielverlauf werden Kämpfe dadurch bestimmt, wie gut man unter Beachtung der Cooldowns seine Skills durchrotieren kann, während man gleichzeitig in ständiger Ausweichbewegung ist: Doppelsprünge, Sprints und Rollen sind ein ständiges Muss! Die Skill-Belegung der Zahlentasten hat dabei schnell in Fleisch und Blut überzugehen, denn selten kann man lange überlegen und sollte lieber intuitiv die richtigen Angriffe einsetzen. Bossgegner treiben das Prinzip auf die Spitze: Deren Wirkbereiche verwandeln das Bossareal in dynamische Minenfelder und wortwörtliche, rotierende Labyrinthe des Schmerzes, in denen man rennen, springen und ausweichen muss, um dem Vieh endlich an den Kragen zu gehen. Das Spiel kann dadurch schon recht früh sehr fordernd werden, aber es ist schön zu sehen, dass das Kampfsystem so kreativ und abwechslungsreich genutzt wird.
Das Spiel feiert die klassischen Belohnungssysteme des MMORPG-Genres mit eindrucksvollen Sounds und visuellen Effekten. "Double Kill" und "Triple Kill" macht nicht weniger Spaß als damals bei Unreal Tournament und das gierige "Whooosh", wenn man Loot einsammelt, ist großartig. Level-Ups werden mit "Holy Shit" kommentiert. Hier ist nichts Neues zu entdecken, aber die Klassiker sind liebevoll aufgepeppt, so machen Kämpfe und neue Level jedes Mal Spaß. Nur eines ist noch besser: die Musik. WildStar fährt einen brillanten Soundtrack auf, der epische Sci-Fi-Melodien mit Western-Sound kreuzt wie es das Thema von Joss Whedons Firefly einst vorgemacht hat. Fuck yeah, WildStar, spiel mir das Lied von Star Wars.
Aus Housing und großen PVP-Schlachten könnte ich vermutlich einen eigenen Artikel schreiben, aber auch hier gibt es keine Revolution zu berichten. Die Kämpfe mano-a-mano profitieren deutlich durch das dynamische Kampfsystem, erfinden das Rad letztlich aber nicht neu. Sicher ist jedoch allemal, dass man sein halbes Leben allein darin versenken kann, wenn man gerne kompetitiv spielt. Für die kreativen Geister ist Housing genau das Richtige. Es ist zwar kein Minecraft, aber man kann im Spiel ständig neue Einrichtungsgegenstände finden und sich ab Level 15 auf der eigenen fliegenden Insel im Baukasten austoben. Hier kann man dann die zweite Hälfte seines Lebens zu Ende bringen, es bleibt nur die Frage, wann man eigentlich Questen geht.
Quests in WildStar sind der völlige Standard. Der gute Humor des Spiels hat mich anfangs davon abgehalten, jeden Dialog zu skippen, aber zu guter Letzt siegte meine stumpfe Gier, Aufgaben abzuarbeiten und Level aufzusteigen. Hier ist man im Kern des Spiels, dort wo das Fleisch am dicksten ist, der Alltag des MMO-Spielers. Ich denke auch, es ist der Punkt, an dem WildStar deutlich zu erkennen gibt, dass es seine klassischen Wurzeln nicht verlassen hat. Es ist kein Everquest Next, das das MMORPG revolutionieren möchte. Es ist kein wagemutiger Sprung in neue Gefilde. Aber das nicht unbedingt etwas Schlechtes, denn hier ist das Spiel ein Meister. WildStar ist die Definition des Genres zum Stand der Jahrausendwende, mit Perfektion auf Hochglanz poliert.
Sehr deutlich wird das Festhalten an alten Werten auch beim Geschäftsmodell. WildStar fordert selbstbewusst monatliche Gebühren über Abos ein und gibt lediglich Vielspielern die Möglichkeit, durch Ingame-Währung neue Spielzeit zu erwerben. Für Normalsterbliche wird es unrealistisch sein, so viel Zeit aufzubringen und so sind die Gebühren für viele Spieler unumgänglich. Fast alle MMOs der letzten Jahre sind entweder daran zugrunde gegangen oder haben peinlichst schnell ein Free-to-Play-Modell angeboten. Ich habe die Befürchtung, dass WildStar keine Ausnahme sein könnte. Aber das gilt es abzuwarten.
In der Überschrift schreibe ich, Wildstar ist gut. Ich schreibe das, weil es ganz bestimmt nicht schlecht ist! Aber es drückt sich darin auch ein letzter Zeifel aus. Es ist ziemlich gut, aber nicht herausragend. Es ist beeindruckend, wie es all die klassischen Elemente eines MMOs zur Perfektion bringt. Nur eine Kleinigkeit fehlt. Gerade die klassischen Elemente sind es, die das Spiel zurückhalten, die Innovation in letzter Instanz ausbremsen. Der Genre-Fan wird hier glücklich gemacht, doch der Schritt darüber hinaus bleibt aus. Wenn ich benennen sollte, woran es dem Spiel fehlt, wäre das nicht die Hingabe, Humor oder Spielspaß. Ich würde sagen: etwas Mut. Ben
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